OLG Schleswig, Beschluss vom 10.11.2021, Az.: 12 U 159/20
Ein Bauherr (B) beauftragte unter Einbeziehung der VOB/B einen Bauunternehmer (U) mit der Sanierung eines Industriefußbodens. Im Zuge der Ausführungen erfolgte eine sog. Haftzugprüfung (Überprüfung der Eignung des Betonfußbodens für die Haftung von aufzubringenden Schichten). Dabei stellte U fest, dass die Mindesthaftzugfestigkeit nicht ausreicht und meldete bei B Bedenken hinsichtlich der weiteren Ausführungen an. Zudem unterbreitete U für den betreffenden Bereich ein teureres Angebot. B lehnte ab und kündigte den Vertrag mündlich. U bestätigte die Kündigung schriftlich und verlangte von B Zahlung für alle nicht mehr zu erbringenden Leistungen i.H.v. 17.102 EUR. Da die Klage erstinstanzlich keinen Erfolg hatte, ging U in Berufung.
Die Berufung hatte Erfolg. Zwar ist die mündliche Kündigung wegen des Schriftformerfordernisses in § 8 Abs. 6 VOB/B unwirksam, jedoch kann aufgrund der schriftlichen Bestätigung von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung ausgegangen werden. Die Vertragsaufhebung wurde nicht individuell geregelt, sodass sich die Rechtsfolgen nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Vertragsaufhebung bestimmen. Demnach kommen die §§ 8 und 9 VOB/B zur Anwendung. Es liegt weder ein außerordentlicher Kündigungsgrund vor, noch stellt die Bedenkenanmeldung und die Ablehnung der Gewährleistung eine Vertragsverletzung des U dar. Die Bedenkenanmeldung ist vielmehr eine Vertragspflicht gem. § 4 Abs. 3 VOB/B. Folglich kann U den gesamten Werklohn verlangen.