EuGH, Urteil vom 18.01.2022, Rs.: C-261/20

Mit Urteil vom 14.07.2019 (Rs.: C-377/17) hat der EuGH festgestellt, dass die in der HOAI 2013 enthaltenen verbindlichen Preisrahmen ein gesetzliches Verbot darstellen und gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. Daraufhin wurde mit der HOAI 2021 der verbindliche Preisrahmen für alle Verträge ab dem 01.01.2021 abgeschafft. Dem Verfahren liegt ein Pauschalhonorarvertrag aus 2016 zugrunde. Die erbrachten Leistungen rechnete der Ingenieur (I) nach den HOAI-Mindestsätzen ab, obwohl er mit seinem Auftraggeber (AG) ein geringeres Pauschalhonorar vereinbart hatte. I erhob Mindestsatzklage. In den Vorinstanzen hatte er Erfolg. Der BGH legte dem EuGH anschließend die Frage vor, ob ein nationales Gericht die Mindestsatzregelung unangewendet lassen müsse, da eine mit der Dienstleistungsrichtlinie konforme Auslegung der HOAI nicht möglich sei.
Der EuGH entschied, dass die Mindestsatzregelungen zwischen Privaten weiterhin anwendbar sind. Ingenieure und Architekten können folglich die Mindestsätze einklagen, obwohl sie eine abweichende Honorarvereinbarung getroffen haben. Zwar sind die nationalen Gerichte wegen des Vorrangs des Unionsrechts grundsätzlich dazu verpflichtet, europarechtswidrige nationale Bestimmungen nicht anzuwenden. Jedoch gilt dies nicht, wenn die europarechtlichen Vorgaben keine unmittelbare Wirkung haben. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie richtet sich nur an die Mitgliedsstaaten und erlegt den Einzelnen keine Verpflichtungen auf, d.h. sie entfalten keine Wirkung zwischen Privaten. Der EuGH wies zusätzlich darauf hin, dass die durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechs mit dem Unionsrecht geschädigte Partei Schadensersatz vom jeweiligen Mitgliedsstaat verlangen kann.

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