BGH, Urteil vom 19.01.2023, Az.: VII ZR 34/20
Ein Bauherr (B) schloss 2014 mit dem Bauunternehmer (U) einen Bauvertrag über den Ausbau einer Straßenbahnlinie. Die Parteien zogen dabei die VOB/B (2002) sowie von B gestellte eigene besondere Vertragsbedingungen (BVB) in den Vertrag mit ein. Im Laufe der Ausführung kam U einer Mängelbeseitigungsanordnung des B, die mit einer Kündigungsandrohung versehen war, nicht nach. Daraufhin kündigte B gem. § 4 Nr. 7 S. 3 (§ 4 Abs. 7 n.F.) i. V. m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B den Bauvertrag. U hielt die Kündigung für unwirksam und erhob Klage.
Die Klage hatte Erfolg. Die VOB/B wurde vorliegend nicht als Ganzes vereinbart, sodass die Inhaltskontrolle über diese eröffnet war.
Nach der kundenfeindlichsten Auslegung der Vorschriften des § 4 Nr. 7 S. 3 i. V. m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B kann der Bauherr dem Bauunternehmer bereits bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Vertragswidrigkeiten oder Mängeln aus wichtigem Grund kündigen. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Zudem widerspricht die Regelung dem gesetzlichen Leitbild des § 314 bzw. § 648a BGB, wonach Voraussetzung für die Kündigung aus wichtigem Grund immer ist, dass die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien derart erschüttert ist, dass die Fortführung nicht zugemutet werden kann. Dies bemisst sich vor allem an der Ursache, der Art, dem Umfang und der Schwere der Verletzung.