ThürVerfGH, Urteil vom 28.06.2023, Az.: VerfGH 21/22

Ein Landesverband einer politischen Partei (P) strengte ein Organstreitverfahren gegen den Thüringer Landtag (L) an, in der die Verletzung des Rechts der Partei auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 46 Abs. 1 ThürVerf durch L gerügt wurde. Mehrfach hatte P den L vor Erlass des Achten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes (ThürLWG) schriftlich aufgefordert, die Anzahl der notwendigen Unterstützungsunterschriften für Wahlkreisvorschläge der Parteien von 250 (§ 22 Abs. 2 S. 2 ThürLWG) wegen Verfassungswidrigkeit auf 100 Unterschriften abzusenken. Des Weiteren sei das ThürLWG um eine Regelung zu ergänzen, die die Anzahl zu sammelnder Unterstützungsunterschriften im Falle vorzeitiger Neuwahlen – in der Zahl 40 oder 50 – festlege.

Ohne Erfolg. Die unterlassene Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes stellt keinen tauglichen Antragsgegenstand dar. Zwar kann gesetzgeberisches Unterlassen Antragsgegenstand sein, soweit eine verfassungsrechtliche Normierungspflicht betroffen ist. Diese kann sich daraus ergeben, dass eine die Chancengleichheit berührende Norm in ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung durch neue Entwicklungen infrage gestellt wird. Insoweit muss der Antragssteller substantiiert darlegen, woraus sich die Handlungsverpflichtung des Gesetzgebers trotz seines weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ergibt bzw. warum dieser von Verfassung wegen auf die begehrte Gesetzesänderung verengt ist. Diesen Anforderungen ist P sowohl bezüglich ihres Änderungs- als auch Ergänzungsbegehrens nicht nachgekommen.