LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2022, Az.: 1 Sa 39 öD/22

Ein Arbeitnehmer (AN) war als Notfallsanitäter in Vollzeit bei einem Rettungsdienstbetreiber (AG) beschäftigt. An arbeitsfreien Tagen im April und September 2021 wurde AN für den jeweiligen Folgetag für kurzfristig angeordnete Sonderschichten um 06:00 Uhr eingeteilt. Der AN war telefonisch nicht erreichbar und nahm auch die SMS, mit der er über die Sonderschicht informiert werden sollte, nicht zur Kenntnis. Zu den Schichten erschien AN wie gewohnt erst um 07:30 Uhr. AG zog die Stunden von seinem Arbeitszeitkonto ab und erteilte eine Abmahnung wegen angeblicher Verspätung. Die Klage des AN vor dem Arbeitsgericht blieb erfolglos. Daraufhin legte er Berufung vor dem Landesarbeitsgericht ein.

Mit Erfolg. Das Lesen dienstlicher SMS zählt als Arbeitsleistung iSv. § 611a Abs. 1 BGB. Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, während ihrer Freizeit eine dienstliche SMS aufzurufen. Ihnen steht ein Recht auf Unerreichbarkeit zu. Das zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitgebern nicht zur Verfügung stehen müssen. Bei der Änderung des Dienstplanes handelt es sich um eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung, die dem Arbeitnehmer erst bei regulärem Dienstbeginn gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugehen muss. Folglich durfte der AG nicht vor 07:30 Uhr des folgenden Tages mit der Kenntnisnahme des AN rechnen.